Materialien "Ruine"

Staunen über unsere eigene Kraft in schwersten Zeiten

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Aus der Sicht eines Schriftstellers

„Mitten im tiefsten Winter wurde mir endlich bewusst, dass in mir ein unbesiegbarer Sommer wohnt.“

Albert Camus

Aus der Sicht der Resilienzforschung

„Wer über Selbstwirksamkeitserwartung verfügt, sucht in einer Krise nicht nach Schuldigen, sondern nach einem Ausweg, im festen Vertrauen dar­auf, dass er gangbar ist. Solche Menschen erleben Krisen so schmerzhaft wie andere, doch der Schmerz lähmt sie nicht.“

GEO

Aus psychiatrischer Sicht

„Wir können eine Sache nicht verändern, wenn wir sie nicht akzeptieren.“

Carl Gustav Jung

Du kannst dir das begleitende Video auf YouTube anschauen:

Interaktion 1

„Mitten im tiefsten Winter wurde mir endlich bewusst, dass in mir ein unbesiegbarer Sommer wohnt.“

Camus, 1957

Du kannst die nachstehenden Fragen für Dich alleine reflektieren oder Deine diesbezüglichen Gedanken mit einem anderen Menschen oder in der Gruppe besprechen.

  • Was lässt Dich an diesem Zitat Staunen?
  • Welche „Winter“ musstest Du bewältigen?
  • Inwiefern hat Dich Dein eigener „unbesiegbarer Sommer“ ins Staunen geraten lassen?
  • Welche Eigenschaft, Haltung oder Ereignis hat sich als Zugang zu Deinem „unbesiegbarer Sommer“ erwiesen?
  • Welcher biblische Text fällt Dir ein, wenn Du an den „unbesiegbaren Sommer oder den tiefsten Winter“ denkst?

 

Interaktion 2

Schau Dir den Kurzfilm AMA von Julie Gautier auf YouTube an. Der Film dauert ca. 6 Minuten.

Julie Gautier sagt über diesen Film:

„Ama ist ein Stummfilm. Er erzählt eine Geschichte, die jede*r auf die eigene Weise interpretieren kann, basierend auf den eigenen Erfahrungen. Es gibt keine Zumutungen, nur Anregungen.

Ich wollte meinen größten Schmerz in diesem Leben mit diesem Film teilen. Damit das nicht zu grob ist, habe ich es mit Anmut überdeckt. Um ihn nicht zu schwer zu machen, habe ich ihn ins Wasser getaucht.

Ich widme diesen Film allen Frauen der Welt.“

Du kannst die nachstehenden Fragen für Dich alleine reflektieren oder Deine diesbezüglichen Gedanken mit einem anderen Menschen oder in der Gruppe besprechen

  • Was lässt Dich an diesem Film staunen?
  • Inwiefern inspiriert der Film Dich für Dein eigenes Leben?

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Du trägst den ganzen Reichtum in Dir

Stimme eines Poeten

„Es ist sehr gut denkbar, dass die Herrlichkeit des Lebens um jeden und immer in ihrer ganzen Fülle bereitliegt, aber verhängt, in der Tiefe, unsichtbar, sehr weit. Aber sie liegt dort, nicht feindselig, nicht widerwillig, nicht taub. Ruft man sie mit dem richtigen Wort, beim richtigen Namen, dann kommt sie. Das ist das Wesen der Zauberei, die nicht schafft, sondern ruft.“

Franz Kafka

Stimme eines Propheten

„Darum sage ich euch: Alles, worum ihr betet und bittet – glaubt nur, dass ihr es schon erhalten habt, dann wird es euch zuteil.“
Jesus nach dem Einzug in Jerusalem, vor dem Prozess.

Markus 11,24

Stimme eines Geschichtensammlers

„Rabbi Schlomo fragte: Was ist die schlimmste Tat des bösen Triebs? Und er antwortete: Wenn der Mensch vergisst, dass er ein Königskind ist.“

Aus den Erzählungen der Chassidim

Stimme aus dem Inneren

„Du trägst den ganzen Reichtum in Dir.“

Du kannst dir die begleitende Audio-Datei direkt hier anhören.

Andreas Kohl (2022) Piano Lumine für Staune. www.pianolumine.de

Nimm einen Stift und ein Blatt Papier und schreibe ohne weiter nachzudenken alles auf, was Dir einfällt, wenn Du Dir vorstellst, Du trügst den ganzen Reichtum in Dir, Du hättest alles schon erhalten, die Herrlichkeit des Lebens läge bereit, Du seist ein Königskind.

Lass Dir ein paar Situationen Deines Lebens einfallen, in denen Dir nichts gefehlt hat. Wenn Dir danach ist, schreibe sie auf.

Frage einen anderen Menschen, ob es etwas gäbe, auf was er oder sie keinesfalls verzichten könnte.

Frage dann, ob ihm das gerade im Augenblick zukommt.

Stelle Dir dann selbst diese Frage.

Stelle Dir jetzt selbst die Frage an Dich, die Dir gerade einfällt.

Interaktion Du trägst den Reichtum in Dir – zum Download 

Analoge Auseinandersetzung – Reichtum – Ruine – zum Download

(per Klick auf den Text startest Du den PDF-Download)

Staunen angesichts von Widerstand

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Aus der Sicht eines Politikwissenschaftlers

„Widerstand ist […] soziales Handeln, das gegen eine als illegitim wahrgenommene Herrschaftsordnung oder Machtausübung gerichtet ist. Dabei kann Widerstand gewaltsam oder gewaltlos sein, sich an begrenzten Zielen orientieren oder auf Umsturz bedacht sein; er kann individuell oder kollektiv sein und sich spontan äußern oder organisiert auftreten. Sein Ziel ist jedoch immer, die gute, von den Herrschenden pervertierte Ordnung zu erhalten oder wiederherzustellen.“

Christopher Daase

Aus der Sicht der Politischen Philosphie

„Widerstand bildet gleichsam den Motor oder Schrittmacher der Geschichte. Im Grunde läßt sich die gesamte Weltgeschichte begreifen als permanenter Widerstandskampf, als Kampf gegen ungerechte Herrschaft und Unterdrückung, Ausbeutung und Verelendung bzw. als Kampf um Macht, der stets auf Widerstand stößt und Widerstand provoziert.“

Klaus Roth

Aus Befreiungstheologischer Perspektive

„Transzendenz bedeutet nicht: zum Himmel schauen, an das ewige Leben denken und über die Probleme der Erde hinweggehen. Vielmehr handelt es sich um eine Transzendenz, die dem menschlichen Herzen gilt. Sie bedeutet, sich auf das Kind, auf den Armen, auf den in Lumpen Gekleideten, auf den Kranken einzulassen, in die Elendshütten und Häuser zu gehen und mit ihnen allen zu teilen. Transzendenz bedeutet, aus der Mitte des Elends selbst diese Lage zu überschreiten, den Menschen zu erheben, ihn voranzubringen und ihm zu sagen: Du bist kein Abfall. Du gehörst nicht an den Rand. Das Gegenteil ist der Fall: Du hast eine große, große Bedeutung.“

Oscar Romero

Aus der Sicht der Bibel

„Du sollst kein leeres Gerücht verbreiten. Biete deine Hand nicht dem, der Unrecht hat, indem du als falscher Zeuge auftrittst! Du sollst dich nicht der Mehrheit anschließen, wenn sie im Unrecht ist, und sollst in einem Rechtsstreit nicht so aussagen, dass du dich der Mehrheit fügst und das Recht beugst. Du sollst auch den Geringen in seinem Rechtsstreit nicht begünstigen.“

2 Mose 23, 1-2

Aus psychologischer Perpektive

„Es gibt keine Veränderung ohne Widerstand. Widerstand gegen Veränderungen ist etwas ganz Normales und Alltägliches. Wenn bei einer Veränderung keine Widerstände auftreten,bedeutet dies, dass von vornherein niemand an ihre Realisierung glaubt. Nicht das Auftreten von Widerstand, sondern dessen Ausbleiben ist Anlass zur Beunruhigung!“

Klaus Doppler & Christoph Lauterburg

Interaktion 1

In einem ihrer letzten Bücher hat die Theologin Dorothee Sölle eine Gebrauchsanweisung für eine zeitgenössische Spiritualität entwickelt – einen „Entwurf einer mystischen Reise für heute“. Dabei entwickelt sie einen Dreischritt: Staunen I Loslassen I Widerstehen.

Ziel dieser mystischen Reise ist nicht die geistige Entrückung, sondern die Transformation der Welt angesichts der ökologischen und wirtschaftlichen Krisen; sie bezeichnet dies als via transformativa.

„Ich denke, dass jede Entdeckung der Welt uns in einen Jubel stürzt, ein radikales Staunen, das die Schleier der Trivialität zerreißt. Nichts ist selbstverständlich und am allerwenigsten die Schönheit.

Es gibt keinen mystischen Weg, der zur Einigung führen kann, wenn nicht dieses Staunen da ist.

Staunen heißt, wie Gott nach dem sechsten Tag die Welt wahrnehmen: ›Und siehe, es war alles sehr gut!‹ Das ist ein Anfang. Die Seele braucht das Staunen, das immer wieder erneute Freiwerden von Gewohnheiten, Sichtweisen, Überzeugungen, die sich wie Fettschichten, die unberührbar und unempfindlich machen, um uns lagern … Staunen oder Verwunderung ist eine Art, Gott zu loben – übrigens auch dann, wenn sein Name nicht genannt wird.“

„Was nehme ich wahr?
Was lasse ich nicht an mich heran?
Was berührt mich?
Was wähle ich aus?“.

Sie unterstreicht, dass je mehr sich ein Mensch auf das Loslassen der falschen Wünsche und Bedürfnisse einlässt, dem Staunen Raum im alltäglichen Leben eingeräumt wird und „je mehr wir dem Staunen in unserem Alltag Raum geben, desto mehr Abgeschiedenheit entsteht.

Es kommt zu einem:
„gelebtes[n] Abschiednehmen von Gewohnheiten und Selbstverständlichkeiten unserer Kultur […] Unser Verhältnis zu den grundlegenden Realitäten von Besitz, Gewalt und Ego ändert sich.“

Als dritte Station beschreibt Sölle „ein Heilen, das zugleich ein Widerstehen ist.“ Beides gehört in unserer Situation zusammen.

Dieses Heilen entsteht daraus „dass Menschen in Compassion [im Sinne eines Mit-Fühlens] und Gerechtigkeit mitschöpferisch leben und, indem sie geheilt werden, das Heilenkönnen erfahren.“

Dorothee Sölle

Fragen zum Text für Deine Reflexion /oder Euren Diskurs:

  • Was läßt Dich angesichts der ökologischen und wirtschaftlichen Krise(n) dieser Welt staunen?
  • Was willst Du loslassen?
  • Wo willst Du widerstehen?
  • Wie willst Du zum Heilen beitragen?

 

Interaktion 2

Hast Du Lust auf eine virtuelle Aktivität? Der Verein glokal e.V. hat eine Interaktion entwickelt, die sich „Connecting the dots“ (d. h. die Punkte verbinden) – Geschichten von Unterdrückung und Widerstand, nennt: https://www.connecting-the-dots.org

Es gibt auch eine ergänzende Broschüre, die hier bestellt werden kann.

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