Materialien "Beton"

Staunen, was Zuhören bewirken kann

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Aus der Sicht eines Philosophen

„Eine schwierige und mühevolle Behandlung unternimmt die Philosophie, wenn sie die Schwatzhaftigkeit heilen will. Denn das Heilmittel, das belehrende Wort, fordert ja das Zuhören. Schwätzer aber hören keinem zu; sie sind ständig am Reden.

Das ist das Grundübel hierbei: das Unvermögen, schweigend zuzuhören. Es handelt sich gleichsam um eine selbstverursachte Taubheit von Menschen, die, so scheint mir, die Natur dafür tadeln, dass sie ihnen nur eine Zunge, aber zwei Ohren gegeben hat.“

Plutarch

 

Aus der Sicht einer Philosophin

„Eine Erfahrung kommt erst dann zum Vorschein, wenn sie gesagt wird.“

Hannah Arendt

 

Aus der Sicht eines Briefschreibers

„Macht euch dieses klar, meine lieben Schwestern und Brüder: Jede und jeder von euch sei schnell zum Zuhören bereit, zögere jedoch mit dem Reden und dem Zürnen.“

Jak 1,19

 

Aus der Sicht eines Schriftstellers

„Was die kleine Momo konnte wie kein anderer, das war: zuhören.

Das ist nichts Besonderes, wird nun vielleicht mancher Leser sagen, zuhören kann doch jeder. Aber das ist ein Irrtum. Wirklich zuhören können nur ganz wenige Menschen. Und so wie Momo sich aufs Zuhören verstand, war es ganz und gar einmalig.

Momo konnte so zuhören, dass dummen Leuten plötzlich sehr gescheite Gedanke kamen. Nicht etwa, weil sie etwas sagte oder fragte, was den anderen auf solche Gedanken brachte, nein, sie saß nur da und hörte einfach zu, mit aller Aufmerksamkeit und Anteilnahme. Dabei schaute sie den anderen mit ihren großen, dunklen Augen an und der Betreffende fühlte, wie in ihm auf einmal Gedanken auftauchten, von denen er nie geahnt hatte, dass sie in ihm steckten. Sie konnte so zuhören, dass ratlose oder unentschlossene Leute auf einmal ganz genau wussten, was sie wollten. Oder dass Schüchterne sich plötzlich frei und mutig fühlten. Oder dass Unglückliche und Bedrückte zuversichtlich und froh wurden. Und wenn jemand meinte, sein Leben sei ganz verfehlt und bedeutungslos und er selbst nur irgendeiner unter Millionen, einer, auf den es überhaupt nicht ankommt und der ebenso schnell ersetzt werden kann wie ein kaputter Topf – und er ging hin und erzählte alles das der kleinen Momo, dann wurde ihm, noch während er redete, auf geheimnisvolle Weise klar, dass er sich gründlich irrte, dass es ihn, genauso wie er war, unter allen Menschen nur ein einziges Mal gab und dass er deshalb auf seine besondere Weise für die Welt wichtig war. So konnte Momo zuhören!“

Michael Ende, Momo

Ihr könnt euch die  begleitende Audio-Datei direkt hier anhören.

 

Interaktion 1

Unternimm einen Hörspaziergang: Setze Dich an verschiedene Orte, schließe die Augen und höre. Was hörst Du?

Interaktion 2

Nimm Dir vor, bei einem Gespräch Deine*n Gesprächspartner*in nicht zu unterbrechen, sondern einfach nur zuzuhören.

Antworte nicht sofort, lass immer wieder Stille einkehren, zwischen Euch.

Frage wertschätzend nach, bewerte nicht.

Interaktion Zuhören – zum Download

Analoge Auseinandersetzung – Staunen was zuhören bewirken kann – Betonraum Betonraum- zum Download

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PerspektivWechsel

Aus der Sicht eines Aktionsforschers

„Urteilsgewohnheiten, die auf vergangenen Erfahrungen basieren, pausieren zu lassen und einen neuen Raum für Fragen und Staunen öffnen.“

Claus Otto Scharmer

 

Aus der Sicht eines Evangelisten

„Ich weiß nur eins: Ich war blind, und jetzt kann ich sehen!“

Joh 9,25

 

 Aus der Sicht einer Künstlerin

„Cogito ergo sum! Ich denke, also bin ich. Gedanken manifestieren sich in Worte, diese werden zu Taten! Yes, Baby, I am a believer.“

Mia Florentine Weiss

 

 

Aus der Sicht der Dichterin

Es ist doch so
Dass die Zeit rast
Ich weigere mich zu glauben
Dass etwas Größeres in meine Welt hineinscheint
Dass ich mit anderen Augen sehen kann
Es ist doch ganz klar
Dass Gott fehlt
Ich kann unmöglich glauben
Nichts wird sich verändern
Es wäre gelogen, würde ich sagen:
Gott kommt auf die Erde!

Iris Macke (Ausschnitt aus einem Gedicht; der Text lässt sich von oben nach unten oder von unten nach oben lesen)

Ihr könnt euch die  begleitende Audio-Datei direkt hier anhören.

AUDIO FOLGT

Interaktion 1

Betrachte das Foto der Installationskünstlerin Mia Florentine Weiss.

Beschreibe was Du siehst.
Worüber staunst Du?

Interaktion 2

Erinnere Dich an eine Situation, in der es Dir sehr schwerfiel, zu verstehen, wie ein anderer Mensch sich verhielt, welche Positionen sie/er vertrat oder welche Gefühle sie/ihn prägten.

Erstelle ein Empagramm. (Eine Anleitung findest Du hier.)
Was lässt Dich nach dieser Übung staunen?

Interaktion PerspektivWechsel  – zum Download 

Analoge Auseinandersetzung – PerspektivWechsel – Betonraum – zum Download

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Das Geschenk des Staunen könnens

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Aus der Sicht eines Kreativitätsforschers

„Das Wesen der Dinge erschließt sich erst durchs Staunen. Das Staunen ist die existenzielle Erlebensform des Menschen. Im Kontrast zur Neugier beschränkt sich die Erfahrung des Staunens nicht aufs Neue, sondern erschließt das Neue als etwas Wundersames.“

Paolo Bianchi


Aus der Sicht eines Evangelisten

„Überwältigt sprachen sie: »Gut hat er alles gemacht. Die Tauben verwandelt er in Hörende und Stumme in Sprechende.«“

Markus 7,37


Aus der Sicht eines Psychologen

„Staunen macht uns zu besseren Menschen…Man hält sich nicht mehr für den Mittelpunkt der Welt, wenn man staunt.  Die Aufmerksamkeit verlagert sich, und man denkt auch an den Nutzen für andere.“

Paul Piff


Aus der Sicht der Dichterin

Hinter meinem Frohsinn 
atmet die Trauer

Hinter der Trauer
steht mein Staunen

über Frohsinn und Trauer
und über alles 
was war

was ist und
was sein wird

Rose Ausländer

Ihr könnt euch die  begleitende Audio-Datei direkt hier anhören.

Moment, von xxx

Interaktion 1

Führe für einen bestimmten Zeitraum (mindestens 21 Tage wären gut, 66 Tage wären noch viel besser) ein Tagebuch des Staunens.

Notiere dort jeden Tag, worüber Du ins Staunen geraten bist.

Interaktion 2

Alternativ kannst Du auch Fotos, über das, was Dich Staunen lässt, selber erstellen oder in einer virtuellen Galerie sammeln.

Halte fest, was diese StaunensEreignisse in Dir auslösen.

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